Wie reiste man in der Hansezeit?

Einblicke in historische Mobilität über Land mit Dr. Angela Huang

Wie lange hätte eine Reise von Hamburg nach Greifswald im Spätmittelalter gedauert? Diese Frage eröffnete gestern Abend im Pommerschen Landesmuseum ein weites Feld historischer Mobilitätsforschung. Statt mit der Bahn oder dem Auto, wie es heute selbstverständlich ist, legte man im 14. bis 17. Jahrhundert Strecken dieser Art zu Fuß, mit Lasttieren, per Wagen oder zu Pferd zurück – eine logistische Herausforderung, verbunden mit erheblichem Zeitaufwand und körperlichen Mühen.

Ein hilfreiches Instrument zur Annäherung an diese historische Realität ist die digitale Datenbank viabundus.eu. Auf der Webseite werden auf Grundlage historischer Quellen die Infrastruktur, Wege und Reisezeiten im hansischen Europa rekonstruiert. Über das Portal lässt sich beispielsweise berechnen, dass man für die Strecke Hamburg–Greifswald zur Hansezeit mehrere Tage benötigte – je nach Wetterlage, Straßenverhältnissen und Reisezweck.

Dr. Angela Huang leitet seit 2017 die Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraums am Europäischen Hansemuseum in Lübeck. In ihrem Vortrag beleuchtete sie anschaulich das Reisen in der Hansezeit – ein Thema, das sie nicht nur wissenschaftlich erforscht, sondern auch in zahlreichen Publikationen fundiert aufgearbeitet hat.

Reisegründe im hansischen Europa: mehr als Handel?

Im Mittelpunkt ihres Vortrags stand die Frage, wer in der Hansezeit überhaupt reiste – und warum. Neben wirtschaftlichen Motiven wie dem Handel spielten auch politische, diplomatische und religiöse Gründe eine wichtige Rolle. Aber gab es bereits so etwas wie Tourismus? Die Quellenlage – insbesondere die geringe Zahl überlieferter Egodokumente – lässt keine abschließende Aussage zu. Doch einzelne Reiseberichte und Relationen geben interessante Einblicke in individuelle Mobilität.

Ein besonders faszinierendes Beispiel sind die Schriften von Lupold von Wedel (1544-1615), einem Gutsbesitzer aus Kremzow (Krępcewo), der zahlreiche Reisen unternahm – zunächst als Söldner, später auch aus Abenteuerlust und dokumentarischem Interesse. Seine detaillierten Beschreibungen zeugen unter anderem von Reisen nach Ungarn, Italien, Spanien, England, Frankreich, in die Niederlande und sogar in den Nahen Osten. Seine Aufzeichnungen beeindrucken nicht nur durch ihren historischen Gehalt, sondern auch durch ihre literarische Qualität: anschaulich, humorvoll, kritisch – mit plastischen Beschreibungen, dramatischen Zuspitzungen und gelegentlich lyrischem Ton. 

Die von Max Bär herausgegebene Ausgabe „Lupold von Wedels Beschreibung seiner Reisen und Kriegserlebnisse 1561–1606“ (Stettin, 1895) ist online als Digitalisat zugänglich:
Digitalisat bei der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf

Eine spannende polnischsprachige Analyse zu Wedels Nahostreise (1578–1579) hat Joanna A. Kościelna verfasst. Die Publikation ist online verfügbar unter: Relacja Lupolda von Wedla z podróży na Bliski Wschód (Academia.edu)

Der Vortrag war Teil der Ringvorlesung „Mobilität“ im Pommerschen Landesmuseum – eine interdisziplinäre Reihe in Kooperation mit Universitäten und Museen aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Vorlesung ist eingebettet in das landesweite Themenjahr „Mobilität“, in dem 2025 zahlreiche Veranstaltungen die Bewegung von Menschen, Dingen und Ideen in den Blick nehmen.

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