Eine Besucherin in der Sonderausstellung

Die Akte Sidonia

Originalgerichtsakten der vermeintlichen Hexe Sidonia von Borcke

Kabinettausstellung

Eine Ausstellung des Kulturreferats für Pommern und Ostbrandenburg in Kooperation mit dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern – Landesarchiv Greifswald

400 Jahre nach der Hinrichtung der pommerschen Adligen werden ihre Gerichtsakten aus dem Bestand des Landesarchivs Greifswald erstmalig im Pommerschen Landesmuseum präsentiert, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Einzigartiges Geschichtszeugnis

Die drei Aktenbände aus der Zeit von 1605 bis 1620 bestehen aus über 1.000 Seiten an Protokollen, Briefen und Notizen. Sie bieten vielfältige Einsichten in die Arbeitsweise pommerscher Gerichte. Aus Anlass des 400. Todestages Sidonias wurden die Akten über mehrere Monate aufwendig restauriert und werden jetzt erstmalig im Pommerschen Landesmuseum präsentiert. Der Aufbewahrungsort der Manuskripte ist das Landesarchiv Greifswald. Dort werden sie aus konservatorischen Gründen künftig nicht im Lesesaal einsehbar sein – dafür aber ist es geplant, das Digitalisat über die Digitale Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern für alle, die sich für diese Geschichte interessieren, zugänglich zu machen.

Einblicke in das Schicksal der vermeintlichen Hexe

Diese Geschichte ist traurig, denn als angeklagte Hexe musste Sidonia von Borcke viele Grausamkeiten über sich ergehen lassen. Ihre Prozessakten mit der eigenhändigen Unterschrift geben viele Detaileinblicke in ihr Leben und in die Umstände ihres Todes. Neben Gerichtsakten zu ihren Zivilklagen im Staatsarchiv Stettin (Archiwum Państwowe w Szczecinie) ist dies das einzige bis heute erhaltene Zeugnis, das eine Grundlage dafür darstellt, ihr wahres Schicksal besser verstehen zu können. Besonders relevant wird dies angesichts der vielen Legenden über Sidonia, die bis heute im Umlauf sind.

Sidonia eine Stimme geben

Mit dem Ziel, Sidonia eine Stimme jenseits der Legenden zu geben, startete vor einem Jahr in Deutschland und in Polen ein interdisziplinäres Projekt mit dem Namen „Die Akte Sidonia“/ „Akta Sydonii“. Zu den Ergebnissen gehören unter anderem Hörbeiträge, in denen die vielen Widersprüche rund um die Geschichte Sidonias zum Ausdruck kommen. Etwa 40 Minuten lang wechseln Monologe, Fragmente der Akten und Expertengespräche, abgerundet durch eine atmosphärische Klangcollage. Während dieser „Neuuntersuchung“ des Falls nähern sich zwei Schauspielerinnen (Katja Klemt und Ola Ślusarczyk) in ihren „Kriminalpodcasts“ der historischen Person Sidonia von Borcke und der Sagengestalt. Bereits im März erschien der erste Hörbeitrag der Serie in deutscher und polnischer Sprache: Jetzt, begleitend zur Ausstellung, erscheint die zweite Folge. Zu finden sind die Hörbeiträge unter www.S1620.eu, auf dem YouTube-Kanal des Pommerschen Landesmuseums sowie auf Soundcloud unter „Die Akte Sidonia“ auf Deutsch und unter „Akta Sydonii“ auf Polnisch.

Das Ziel der Maßnahmen ist es, Sidonias Schicksal quellenbasiert wiederzugeben, die Aussagen von Expertinnen und Experten bekannter zu machen sowie die faszinierende Geschichte der Region mit dem hier weitgehend noch unerforschten dunklen Kapitel der Hexenverfolgung aufzugreifen. Für das alles steht die Geschichte Sidonias von Borcke. Unterstützt wurde dieses Vorhaben durch die Europäische Union aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Fonds für kleine Projekte Interreg V A Mecklenburg-Vorpommern / Brandenburg / Polen in der Euroregion Pomerania).

Das pommersche Greifenhaus

Nach dem Aussterben des pommerschen Greifengeschlechts verbreitete sich die Legende, die Ursache dafür liege in einem Fluch, mit dem Sidonia von Borcke die pommerschen Herzöge belegt habe. Tatsächlich fand die Verhaftung Sidonias auf der Grundlage eines Haftbefehls mit 14 Anklagepunkten statt – darunter dem Vorwurf, den Prinzen Philipp verzaubert zu haben. Der Glaube an Hexerei war in der Zeit in allen Gesellschaftsschichten verbreitet. Sogar die letzte pommersche Prinzessin, Anna von Croy, deren Todestag am 7. Juli alle zehn Jahre mit einem Croy-Fest begangen wird, war in Stolp in einen Hexenprozess involviert.