Weißes Gold aus Kartlow

Porzellanservice aus Kartlow: Deckelterrine mit Blumen- und Vogelmotiven

Ein Geschenk Friedrichs II.

Vielleicht führt der Titel unserer Kabinettausstellung etwas in die Irre. Das Weiße Gold stammt ursprünglich aus Berlin, aber es gelangte letztendlich ins vorpommersche Kartlow.

Die Anfänge der Manufaktur datieren auf das Jahr 1751, als der Berliner Kaufmann und Wollfabrikant Wilhelm Caspar Wegely das königliche Privileg zur Einrichtung einer Porzellanmanufaktur erhielt. Technische Schwierigkeiten und der Siebenjährige Krieg zwangen Wegely zur Aufgabe. Er veräußerte Materialien und Werkzeuge an den Berliner Kaufmann Johann Ernst Gotzkowsky, der ab 1761 die Manufaktur weiterführte. Gotzkowsky, vom König geschätzt und geehrt, gelang es bedeutende Künstler und Mitarbeiter der Meißener Porzellan-Manufaktur aus dem preußisch besetzten Sachsen anzuwerben. Obwohl er in kurzer Zeit eine leistungsfähige Faktur aufbaute, geriet auch Gotzkowsky in finanzielle Schwierigkeiten, da von königlicher Seite wegen der Kriegsausgaben eine Entlastung ausblieb.
Friedrich II. wollte das junge Unternehmen erhalten und dem angesehenen Unternehmer den Bankrott ersparen. Er kaufte die Manufaktur am 19.09.1763 für 225.000 Reichstaler, übernahm alle 146 Mitarbeiter und gab der Manufaktur Namen und Markenzeichen – das königliche Zepter aus dem kurfürstlich-brandenburgischen Wappen. Fortan trug sie den Namen Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin und entwickelte sich zu einem wirtschaftlichen und sozialen Musterbetrieb. Es gab feste, geregelte Arbeitszeiten, ein überdurchschnittliches Einkommen, eine Betriebskrankenkasse, Rentenanspruch, Versorgung Hinterbliebener und keine Kinderarbeit.
Zu den wichtigsten Auftraggebern der Manufaktur zählte Friedrich der Große selbst, der sich deshalb scherzhaft seinen „besten Kunden“ nannte. Von 1763 bis zu seinem Tode im Jahr 1786 bestellte der König bei der KPM Porzellan im Wert von 200.000 Reichstalern. Allein für seine Schlösser gab er 21 Tafelservice in Auftrag. Diese Service hatten meist 36 Gedecke und bestanden aus bis zu 500 Einzelteilen sowie kunstvollen figürlichen Tafelaufsätzen. Ihre Gestaltung und Farbgebung waren auf die Innenausstattung der Räume abgestimmt, für die sie bestimmt waren. Das erste Tafelservice, welches Friedrich im Jahr 1765 für das Neue Palais in Potsdam bestellte, war das Service Reliefzierat.

Wie kam das KPM-Service nach Kartlow? Sicher ist: durch Erbschaft. Es gibt dazu zwei Überlieferungen.
Die ältere besagt, dass König Friedrich II. seinem verdienten General Otto Leopold Ehrenreich von Gloeden (1731–1801) ein Tafelservice mit über 170 Teilen aus der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin schenkte. Otto L. E. von Gloedens Ehe mit Charlotte Wilhelmine Juliane von der Osten blieb angeblich kinderlos.
Wichard Wilhelm von Heyden (1782–1836) aus Kartlow heiratete am 13.05.1803 Wilhelmine Luise Philippine von Gloeden (1783 Kletzin–1820 Kartlow), eine Verwandte des Generals. Diese hätte das Service als Teil der Mitgift in die Ehe eingebracht.
Allerdings war Otto L. E. von Gloeden 1768 erst Premierleutnant, Oberst wurde er erst nach dem Tod Friedrichs II. 1786 und Generalmajor sogar erst 1792. Es ist also nicht wahrscheinlich, dass Friedrich II. einem Premierleutnant so ein kostbares Geschenk machte.

Neuere Forschungen weisen in eine andere Richtung.
Im Umkreis des Königs fällt ein weiterer hochrangiger Offizier auf: Es war Friedrich Ehrenreich von Ramin aus Brüssow (03.04.1709 Brüssow–02.12.1782 Berlin). Auch Ramin stieg in den Schlesischen Kriegen durch Wagemut und Entschlusskraft die Karriereleiter auf. Entscheidend war zum Beispiel seine Standhaftigkeit in der Schlacht von Zorndorf (25.08.1758), mit der er den Sieg der Russen verhinderte. Auch Ramin wurde mit dem „Pour le Mérite“ geehrt, wurde 1756 Stabsoffizier, 1759 Generalmajor und 1767 Gouverneur von Berlin, erhielt den Schwarzen Adlerorden und den Rang eines Generalleutnants. Oft wurde er nach Potsdam zum König eingeladen und wurde zu einem der wenigen Vertrauten des Königs, der ihn andererseits oft beschenkte, darunter auch am 19.12.1768 ein Tafelservice aus der KPM.
General von Ramin blieb unverheiratet und kinderlos. Eine Tochter seiner Schwester, also seine Nichte, Henriette Dorothee Johanna von Wittken heiratete im November 1770 Johann Carl von Heyden, einen direkten Vorfahren der heutigen Eigentümer.

Durch sie kam das Service mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Familie von Heyden. Es war als dreiteiliges Gedeck (großer Teller, kleiner Teller, Dessertteller) für 48 Personen konzipiert, dazu Platten, Terrinen, Saucieren und Tischschmuck, insgesamt über 170 Teile. Jedes Stück war mit Blumen- und Vogelmotiven anders bemalt.
Die großen Teile wurden 1945 vor der anrückenden Sowjetarmee vergraben. Die Teller wurden mit auf die Flucht genommen und gingen vermutlich in Sachsen-Anhalt verloren, als dort vereinbarungsgemäß die russische Besatzung einrückte.
Die in Kartlow vergrabenen Teile wurde in den 1960er Jahren angeblich bei einer Geländeübung der NVA der DDR zufällig gefunden und gelangten ins Heimatmuseum nach Demmin. Bis das Heimatmuseum 2015 schloss, wurden sie dort gezeigt und anschließend verpackt.

Es ist der Familie von Heyden und der Stadt Demmin zu verdanken, dass wir diese kunstvollen Raritäten aus der Anfangszeit der Königlichen Porzellan-Manufaktur zumindest zeitweise im Pommerschen Landesmuseum präsentieren können.

 

Text: Heiko Wartenberg
Online-Redaktion: Julia Kruse

 

Über die Rubrik: Neu im Museum
Unter dieser Rubrik stellt das Pommersche Landesmuseum regelmäßig neue Objekte vor: Leihgaben, Schenkungen oder Ankäufe aus den verschiedensten Bereichen der pommerschen Kultur, Kunst und Geschichte. Alle zwei Monate erwartet Sie hier ein neuer spannender Einblick in unsere Ausstellungen, Archive und Depots. Viel Spaß beim Lesen!

Das Service ist vom 11.05.–09.07.2023 ausgestellt.

Am Internationalen Museumstag am 21.05.2023 um 11 Uhr stellen Wichard von Heyden, Dr. Ruth Slenczka und Heiko Wartenberg es in einer Führung näher vor.

Das Kartlower Porzellan wird zwar nur zeitlich begrenzt im Pommerschen Landesmuseum gezeigt, aber in der Dauerausstellung befindet sich ein weiteres Stück aus der KPM: die sogenannte Prunkvase von Eldena.

Porzellanservice aus Kartlow: Teller mit Blumen- und Vogelmotiven
Porzellanservice aus Kartlow: Terrine mit Deckel und Löffel, alles mit Blumen- und Vogelmotiven
Porzellanservice aus Kartlow: Ovale Platte mit Blumen- und Vogelmotiven
Porzellanservice aus Kartlow: Schüssel mit Flechtwerkrand mit Blumen- und Vogelmotiven