Zwei bisher unbekannte Gemälde der Demminer Malerin Ilse von Heyden-Linden (1883–1949)

Ilse von Heyden-Linden, Schloss Gießmannsdorf (Ausschnitt)
Ilse von Heyden-Linden, Schloss Gießmannsdorf (Ausschnitt)

Durch die Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung des Pommerschen Landesmuseums e. V. konnten 2022 zwei bisher unbekannte Gemälde der Demminer Künstlerin Ilse von Heyden-Linden (1883–1949) für die Kunstsammlung des Pommerschen Landesmuseums erworben werden. Beide Gemälde stammen aus Privatbesitz und sind dem Eigentümer durch den Bruder der Malerin Dietrich von Heyden-Linden (1898–1986) zum Dank für eine langjährige gemeinsame Arbeit in dessen Technikwerkstatt im Demminer Wohnhaus am Mühlenteich als Abschiedsgeschenk übergeben worden.

Ilse von Heyden-Linden wurde am 5. April 1883 in Philippshof in Vorpommern geboren. Sie entstammte der adligen Familie von Heyden-Linden aus dem Hause Gehmkow. Ihre künstlerische Laufbahn begann sie bereits mit 11 Jahren, indem sie Landschaftsbilder und Szenen aus dem ländlichen Leben zeichnete. Vier Jahre später gestatteten ihr die Eltern, zu ihrer Tante nach Berlin zu ziehen. Dort gelang es ihr durch deren Förderung, die Damenakademie des Vereins der Bildenden Künstlerinnen zu besuchen. Trotz der für Frauen fehlenden Möglichkeit eines Direktstudiums erzielte Ilse von Heyden-Linden 1911 einen ersten Achtungserfolg als Malerin: Ihr Gemälde „Diele in Gehmkow“ wurde auf der Juryfreien Kunstausstellung Berlin mit einem Preis ausgezeichnet. Dieses Gemälde ist gegenwärtig in der Ausstellung „Publikumslieblinge“ im Konventsgebäude des Pommerschen Landesmuseums zu sehen.

Beflügelt von ihrem ersten Erfolg begab sich die Künstlerin 1911 bis 1912 zu einem längeren Aufenthalt nach Paris. Unter dem unmittelbaren Einfluss der Malerei des französischen Impressionismus vervollkommnete sie die farbenfreudige Leichtigkeit, die bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges ihre Palette bestimmen sollte. Um in der darauffolgenden schwierigen Zeit zu überleben, ließ sie sich beim Johanniterorden als Krankenschwester ausbilden und arbeitete in Lazaretten in Pommern und Belgien. Dennoch beteiligte sie sich weiterhin an Ausstellungen in Stettin/Szczecin. Nach Kriegsende kehrte sie zur Tante nach Berlin zurück. Diese unterstützte sie bis zu ihrem Tod 1929. Danach lebte Ilse von Heyden-Linden bei ihrem Bruder Dietrich in Demmin und arbeitete, um ihn zu entlasten, in den 1930er Jahren als Ausbilderin für Erste Hilfe und Häusliche Krankenpflege. Aus dieser Zeit stammen die beiden bisher nicht bekannten und unbetitelten Gemälde der Künstlerin:

Abb.1: Ilse von Heyden-Linden, Schloss Gießmannsdorf, Öl auf Hartfaserplatte, beschnitten, um 1931/32 (1934)

Abb.2: Ilse von Heyden-Linden, Bunzlauer Töpfermarkt, Öl auf Hartfaser, beschnitten, 58 x 48 cm, um 1931/32 (1934)

Ab 1931 war Ilse von Heyden-Linden in Schlesien ansässig, weil sie für zwei Jahre in der Kleinstadt Naumburg/Nowogrodziec, am östlichen Ufer des Queis gelegen, eine Anstellung als Hausdame in einem evangelischen Predigerseminar erhalten hatte. Etwa 130 Kilometer östlich liegt Breslau/Wrocław, die Hauptstadt Niederschlesiens.

Finanziell abgesichert und relativ unabhängig in ihrer Lebensführung arbeitete sie voller Schaffenskraft an zahlreichen neuen Bildern. Die Motive nahm sie aus der unmittelbaren Umgebung, und es entstanden zahlreiche modern anmutende Gemälde, die durch einen dynamischen, teilweise sehr pastosen Pinselauftrag gekennzeichnet sind. Während sie vorher auf Leinwand malte, behalf sie sich nun mit Pappen oder Hartfaserplatten als Bildträger und malte in alla-prima-Technik mit nass-in-nass verlaufender, auf der Palette grob vorgemischter Farbe. Im Gegensatz zur früheren impressionistischen Leichtigkeit war ihre Malerei jetzt in der Pinselführung gewagter und der Auftrag der Farben plastischer. Auch wenn die Künstlerin nicht so weit ging, die Konturen des Gesehenen gänzlich aufzulösen, machen sich auch Einflüsse des Expressionismus bemerkbar. Diese neuen, nachweislich bis 1934 in Schlesien entstandenen Bilder stellte sie mit einiger Beachtung auch während der 25. und 26. Ausstellung des Pommerschen Künstlerbundes von 1934 bis 1936 im Stettiner Museum an der Hakenterrasse aus.

In dem 1996 erschienenen Katalog „Geheimnis der blauen Balken. Ilse von Heyden-Linden – Leben und Werk“ der Gemeinschaftsausstellung der Stiftung Pommern, Kiel und des Museums der Hansestadt Greifswald befindet sich auch ein erstes Werkverzeichnis der Künstlerin. Die meisten der schlesischen Motive haben dabei keine genauen Ortsangaben. Darunter befinden sich auch die beiden Gemälde „Schlosspark mit drei Statuen“ (Kat.-Nr. 104) und „Schloss mit Wasserspeier“ (Kat.-Nr. 105). Bei der Recherche zu den beiden Neuerwerbungen und Vergleichen mit alten fotografischen Aufnahmen und Stichen stellte sich heraus, dass diese beiden Gemälde ebenfalls in Schloss Gießmannsdorf/Gościszów, in unmittelbarer Nähe von Naumburg, entstanden sind. Eindeutig sind auf den im Werkverzeichnis nicht lokalisierten Gemälden die drei barocken Giebel sowie die seitlich durch barocke Portale verzierte, über einen Wassergraben zum Hauptportal führende Brücke zu erkennen, die auch auf dem Gemälde Schloss Gießmannsdorf zu finden sind. Ebenso erkennbar ist auch der Wasserspeier, der bereits mit dem Hauptportal als Bildmotiv verwendet wurde. Leider sind das Schloss und die Außenanlagen nach 1945 zerfallen.

Das zweite Gemälde der Neuerwerbung zeigt einen typischen Töpfermarkt mit der weithin bekannt gewordenen Bunzlauer Keramik. Diese Keramik wurde sowohl in Naumburg als auch im benachbarten Bunzlau/Bolesławiec hergestellt.

Nach ihrer Rückkehr nach Pommern hat Ilse von Heyden-Linden nur noch gelegentlich, während einiger ihrer wenigen Reisen gemalt und sich kaum noch an Ausstellungen beteiligt.

„Die Politik des Dritten Reiches und der Zweite Weltkrieg hinterließen auch bei ihr Spuren und schließlich verstarb sie, innerlich vereinsamt, von Nachkriegssorgen geplagt und schwer herzleidend am 3. September 1949 in Demmin.“ (K.-H. Schlösser, Eröffnungsrede zur Ausstellung Ilse von Heyden-Linden, 2.4.1982, Kleine Galerie Demmin.)

 

Text: Mario Scarabis
Online-Redaktion: Julia Kruse

 

Über die Rubrik: Neu im Museum
Unter dieser Rubrik stellt das Pommersche Landesmuseum regelmäßig neue Objekte vor: Leihgaben, Schenkungen oder Ankäufe aus den verschiedensten Bereichen der pommerschen Kultur, Kunst und Geschichte. Alle zwei Monate erwartet Sie hier ein neuer spannender Einblick in unsere Ausstellungen, Archive und Depots. Viel Spaß beim Lesen!

Die beiden Gemälde sind vom 01.04.–02.05.2023 im Pommerschen Landesmuseum ausgestellt.

Am Mittwoch, den 19.04.2023 um 12 Uhr stellt Mario Scarabis sie in der Kunstpause „Neuentdeckungen!“ näher vor.

Ilse von Heyden-Linden, Schloss Gießmannsdorf, Öl auf Hartfaserplatte, beschnitten, um 1931/32 (1934)
Ilse von Heyden-Linden, Schloss Gießmannsdorf, Öl auf Hartfaserplatte, beschnitten, um 1931/32 (1934)
Ilse von Heyden-Linden, Bunzlauer Töpfermarkt, Öl auf Hartfaser, um 1931/32 (1934)
Ilse von Heyden-Linden, Bunzlauer Töpfermarkt, Öl auf Hartfaser, um 1931/32 (1934)